IPv6 Konferenz 2014 – Positiver Ausblick zu IPv6

Die IPv6 Business Konferenz 2014 ist vorbei. Das Echo der knapp 100 Besucher fällt positiv aus. Die Kernbotschaft von vier Experten der Konferenz lautet: IPv6 entwickelt sich positiv und schneller als erwartet. Es ist die Grundlage für das Internet der Dinge. Wir brauchen aber mehr Dual-Stack-Content-Anbieter.

Durch das Internet der Dinge wird der Bedarf an IP-Adressen explodieren. Nicht nur mit Kühlschränken und LED-Lichtern werden wir mittels IPv6 kommunizieren – das Internet der Dinge wird in Zukunft Leben retten. An der IPv6 Business Konferenz vom 17. Juni präsentierte Prof. Dr.-Ing. Daniel Schilberg, Managing Director IMA, die Zukunft im Gesundheitswesen: Medizinische Geräte, die übers Internet mit einem Tele-Mediziner verbunden sind, ermöglichen Rettungsdiensten im Fronteinsatz eine exaktere und schnellere Behandlung. Seine These: „In fünf bis zehn Jahren wird der Grossteil der Menschen mit Notfall-Monitoring-Geräten ausgestattet sein. Sobald eine kritische Abweichung von der Norm erreicht ist, schlagen diese digitalen Lebensretter Alarm und benachrichtigen den Rettungsdienst – nicht nur ein einfacher Alarm mit Standortposition, sondern Informationen, die eine Tele-Diagnose zulassen und die Nothelfer auf den Einsatz vorbereiten.“

Technologie für digitale Lebensretter vorhanden

Dies bedingt ein stabiles Internet, flächendeckende Mobilnetze und Internet-fähige Monitoring-Devices. IPv6 bietet dabei die Grundlage für den massiv gesteigerten Bedarf an IP-Adressen. „Die Geräte wie Google Glasses, IPv6-Netze und Monitoring-Technologien sind vorhanden. Es braucht erprobte Abläufe, Datenschutz und öffentlichen Druck – aber ein Szenario von digitalen Lebensrettern im Masseneinsatz ist sehr realistisch“, so Prof. Dr. Schilberg weiter. „Wir können – auch dank IPv6 – übers Internet Leben retten!“. In Aachen ist nach einer mehrjährigen Forschungs- und Pilotprojekt-Phase nun ein telemedizinisches Rettungsassistenzsystem in den regulären Betrieb gegangen. „Oft braucht es im Ernstfall nicht das Know-how des Arztes, sondern seine Entscheidungskompetenz, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist. Mit den übermittelten Informationen aus dem vernetzten Rettungswagen kann auch ein Telenotarzt diese Entscheidung treffen. Das ist ein zusätzlicher Dienst - alle bisherigen Leistungen bleiben in jedem Fall bestehen“, räumt Prof. Dr. Schilberg Bedenken über eine Zweiklassen-Medizin aus dem Weg.

Bereits 49% IPv6 Traffic möglich

Alain Fiocco, Senior Director des Cisco IPv6 High Impact Project, präsentierte neuste Statistik-Zahlen, die belegen, dass IPv6 im Internet bereits jetzt eine wesentliche Rolle spielt: „Wir haben den Traffic der Top500 Alexa Webseiten in 130 Ländern analysiert und den klassischen Pareto-Effekt festgestellt: Zwar sind nur eine relativ kleine Anzahl von Webseiten IPv6-aktiviert (je nach Land zwischen 30 bis 50), jedoch repräsentieren diese Webseiten rund 49% des Gesamt-Traffics.“ Seiner Meinung nach werden viele ISPs und mobile Provider in naher Zukunft auf Dual-Stack umstellen. Dual-Stack-User verbinden sich zu IPv6-aktivierten Seiten über das jeweils performantere Protokoll. „Um die 49% IPv6 Content wirklich auszunutzen, müssen wir unsere Infrastruktur durchgängig auf IPv6 ausrichten.

IPv6 bringt ISPs Kostenvorteile

Dass dies geschehen wird, ist sich Aviv Abramovich sicher: „Die Internet Service und Mobile Provider haben nur ein Produkt: Konnektivität. Um auch in Zukunft ihren Kunden und der steigenden Nachfrage an IP-Adressen gerecht zu werden, haben sie nur eine Option: IPv6 Zugang.“ Für Aviv ist klar: „Heute morgen wurde uns Konnektivität in der Telemedizin vorgestellt. Das ist nur eine der vielen positiven Ideen und Möglichkeiten, wie wir unsere Zukunft mit dem Internet der Dinge und der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation verbessern. Stellen Sie sich nun den zukünftigen Bedarf an IP-Adressen vor.“ Seiner Meinung nach liegen die Vorteile für die ISPs und Mobile Provider auf der Hand: „Mit IPv6 können die ISPs ihr Produkt – nämlich IP-Adressen – wieder in Massen anbieten. Dies resultiert in Kostenvorteilen gegenüber der Konkurrenz. Wer zuerst die Vorteile realisiert, ist der Gewinner.“

Als Security Experte bei Check Point berät Aviv seine Kunden auch betreffend Angriffen über IPv6: „Oft haben Unternehmen IPv6-Traffic in ihren Netzen, ohne IPv6 wirklich zu managen, weil die meisten Betriebssysteme es by default aktivieren. Netzwerk-Verantwortlichen empfehle ich, jetzt kontrolliert und mit Konzept zu migrieren und die Security-Lücken anzupacken. Wir weisen aber auch darauf hin, dass es z.B. 10mal mehr Sicherheitslücken im PDF-Reader gibt als im gesamten IPv6-Protokoll. Dem PDF ist es egal, ob es über IPv4 oder IPv6 ins Netzwerk gelangte.“ Die Präsentation von Alain Fiocco hat auch bei Aviv Abramovich zu Erstaunen geführt: „Es gibt bereits sehr viel mehr IPv6 Traffic, als ich angenommen habe.“

Kontrolle über die User Experience

Alain Fiocco schätzt das momentane Potential an IPv6 Traffic wie erwähnt auf 49%: „Weltweit gibt es aber bisher nur 3.5% IPv6-User. Dies ist ein Infrastruktur-Problem, das in zwei, drei Jahren gelöst sein wird. Aber wie bewegen wir die restlichen 51% der Content-Anbieter?“ Verfügbarer Content sei der Haupttreiber für IPv6-Deployment bei ISPs. Für Content-Anbieter jedoch zeige sich der Nutzen erst bei genauerer Betrachtung: „50% der Mobile Kunden von Verizon in den USA sind IPv6-enabled. Wir reden hier von ca. 70 Millionen Nutzern!“ Diese mobilen Geräte versuchen prioritär über IPv6 zu kommunizieren und wechseln auf IPv4, wenn die Performance schlecht oder der Inhalt nicht über IPv6 verfügbar ist. „IPv6 kann dazu verwendet werden, eine direkte End-zu-End-Verbindung mit dem User zu erstellen – ohne unkontrollierte Umwege über Translation-Hubs, die es bei IPv4 aufgrund des Adressmangels bereits jetzt braucht“, so Alain Fiocco weiter. "Wenn ich der Verantwortliche für e-Banking der Bank of America oder UBS wäre, könnte ich es mir nicht leisten, meine E-Banking-Lösung nicht für IPv6 zu optimieren, um meinen Usern die bestmögliche Erfahrung zu bieten." Damit schliesst sich für Alain der Argumentationskreis für Content Anbieter: „IPv6 kann die direkte End-zu-end-Verbindung zwischen Webseiten-Anbieter und Besuchern wieder herstellen. Content- und Service-Anbieter im Internet gewinnen damit die Kontrolle über die gesamte User Experience Ihrer Kunden wieder zurück. Und deshalb denke ich, dass auch die 51% der nicht-IPv6-tauglichen Website bald Dual-Stack implementieren werden.“

Schweiz führend

Die Schweiz ist diesbezüglich wieder einmal führend, wie Silvia Hagen, die Präsidentin des Swiss IPv6 Councils in ihrer Welcome Ansprache erläuterte. "Wir haben zurzeit rund 10% IPv6-fähige Internetnutzer und sind damit auf Platz 2 im internationalen Vergleich (nach Belgien). Das Swiss IPv6 Council führt momentan eine Umfrage bei den Top Alexa 75 Websites der Schweiz durch. Von den 30 Content Anbietern, die bisher die Umfrage beantwortet haben, wurde der dual-stack Betrieb der Website (das parallele Anbieten der Website über IPv4 und IPv6) entweder bereits eingeführt (22%) oder ist bis Ende 2014 geplant (51%). Namhafte Webseiten wie die Schweizerische Post, SBB.ch und Swisslos.ch werden noch dieses Jahr den dual-stack Betrieb aufnehmen. Dies wird sich massgeblich auf den IPv6-Trafficanteil in der Schweiz auswirken. Demgegenüber stehen weitere rund 500'000 User, die von Swisscom im zweiten Halbjahr zugeschaltet werden, womit die Schweiz dann über eine Million IPv6-fähiger Internetnutzer verfügt und bezüglich User Adoption in den Bereich von ca. 18% kommt."

IPv6 Konferenz mit eigenem IPv6 Test-Netzwerk

Die Kinos Arena Cinemas, die Lokation an der die Konferenz nun zum zweiten Mal stattfand, hat sich von der ersten Konferenz im 2013 inspirieren lassen. Die Website arena.ch ist seit einiger Zeit dual-stack erreichbar. Zustätzlich wurde nebst dem herkömmlichen Konferenz WiFi speziell für diese Konferenz eine zweite SSID angeboten, welche IPv6-only war. Konferenzteilnehmer, die sich an dieser SSID angemeldet haben, erhielten nur eine IPv6-Adresse. Damit konnten sie direkt mit IPv6 auf IPv6-fähige Webseiten zugreifen. Der Zugriff auf IPv4-only Webseiten wurde durch ein NAT64-Gateway ermöglicht, das die IPv6-Anfragen in IPv4 übersetzte (Translation). Dies wurde auf den bestehenden Fortinet Firewalls der Arena ohne grösseren Aufwand entsprechend konfiguriert.

Für Thorsten Jäger von Fortinet ist die Errichtung dieses Arena-IPv6-Netzwerk Business as usual: "Wir stecken mittendrin in der globalen Umstellung auf IPv6, wie es einige der Vorträge heute deutlich gemacht haben und wie das Beispiel Arena.ch demonstriert hat. Wir konzentrieren uns darauf, den Teilnehmern hier und unseren Kunden konkrete Infos für ihre IPv6 Projekte zu vermitteln - speziell im Hinblick auf Evaluierungs- und Testkriterien für Securityprodukte. Für uns liegt der Business Case darin, Security Geräte herzustellen, die dem Praxistest im Einsatz mit IPv6 gewachsen sind und die nötigen Anforderungen erfüllen."

Dank dem Arena-IPv6-Netzwerk konnten die Konferenzteilnehmer am eigenen Leib erfahren, wie das Internet in absehbarer Zeit funktionieren wird, wenn kein IPv4 mehr erhältlich sein wird. Dieses Setup wird aufgrund der auslaufenden IPv4-Adressen immer häufiger werden. Die meisten Teilnehmer haben diese Möglichkeit genutzt. Normale Webseiten funktionierten gut, es war den meisten auch möglich, Mails zu verschicken und runterzuladen. Es zeigten sich aber auch die Schwächen. So konnten sich nicht alle Android Geräte eine IPv6 Adresse holen und gewissen Applikationen wie Teamviewer oder Skype funktionierten nicht.

 

Alle Präsentationen und Fotos der Konferenz unter:

http://www.ipv6conference.ch

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